Zwei Tage im Altersheim. Was bleibt, sind gemischte Gefühle und die Gewissheit, dass man jeden Tag, an dem man gesund ist und seinen Körper oder Geist so steuern kann, wie man das möchte, einfach nur genießen sollte. Denn der Tag, an dem es anders sein wird, der kommt, ob wir wollen oder nicht. Aber selbst dann kann man auch noch sehr viel Spaß haben.
Die Frauen tragen heute feine Seidenblusen, große Perlenohrringe, an Hälsen und Fingern funkelt goldener Schmuck. Schmuck, der sonst nur noch in kleinen Schatullen in der Sockenlade versteckt ist. In den Händen halten sie Rosenkränze. Der Geruch von schwerem Parfüm liegt in der Luft. Ein Geruch, den man noch von früher kennt, wenn die Großmutter zu Besuch kam. Auch die Männer haben das schönste Sonntagsgewand und das beste Rasierwasser hervorgeholt. Etwas, das sie nicht mehr allzu oft machen.
Aber heute ist ein besonderer Tag. „Das Fernsehen kommt“, tuschelt man auf den Gängen nervös. Wenn man als junger Mensch das erste Mal ein Altersheim betritt, ist das ein seltsames Gefühl. Ich habe niemanden besucht, ich habe beruflich einige Tage dort verbracht, weil wir eine Video-Reportage über das Leben in diesen Einrichtungen gedreht haben.
Zu Recherchezwecken habe ich die Pflegewohnhäuser Rudolfsheim-Fünfhaus und Leopoldstadt besucht. Beide finanziert durch die Stadt Wien und im Rahmen des neuen Wiener Geriatriekonzeptes gebaut, hochmodern. Ein- und Zweibettzimmer, jedes mit eigenem Balkon oder Loggia und Badezimmer. In manchen sieht es aus wie im ehemaligen Wohnzimmer der Patienten, weil so viel an persönlichen Dingen von zuhause mitgenommen wurde. Auch das ist neu und war früher in dieser Form nicht möglich.

Es gibt eigene Demenzstationen mit barrierefreiem Zugang zum Demenzgarten, wo sich Menschen mit erhöhtem Bewegungsdrang ausleben können. Diese Patienten tragen Chip-Armbänder. Entfernen sie sich zu weit von der Station, geht ein Alarm los. Früher sind Demente oft weggelaufen. Das kann heute nicht mehr passieren.
Streift man durch die Gänge, fällt eines sofort auf: Hier leben weitaus mehr Frauen als Männer. Das Verhältnis ist 80 zu 20. Sie werden älter und pflegen ihre Partner, die meist vor ihnen sterben. „Wir Frauen bleiben übrig“, sagt eine Bewohnerin, die sich heute besonders schick gemacht hat. „Kommen Sie zur Gedächtnistrainings-Stunde, wir haben eine Überraschung für Sie“, sagt eine Pflegerin. Eine Frau möchte ein Gedicht für uns aufsagen.
Kategorien:Reportage