Ein junger Mann, der sich in der Gastronomie selbstständig machen möchte, war der Grund für eine aufbrausende Diskussion in der Elefantenrunde der Spitzenkandidaten vor der Wien-Wahl. „Schicken S’ ma den jungen Mann, des is das Leichteste, was ma machen können“, verkündete Michael Häupl spontan in der TV-Sendung. Was passierte dann?
Beginnen wir am Anfang der Geschichte. Mattias und seine Freundin leben in Wien, möchten sich ein zweites Standbein aufbauen. Sie wollen Kärntner Kasnudeln verkaufen. Seit vielen Monaten versuchen sie, einen Weg zu finden, der möglichst wenig privates finanzielles Investment erfordert. Gar nicht so einfach, wie sich herausstellt. Mattias selbst ist seit zehn Jahren als selbstständiger Programmierer immer wieder mit den Hürden und Regulierungen Österreichs konfrontiert.
Der Plan lautet: klein beginnen, damit das Risiko auch klein bleibt. Das Durchschnittsgehalt, das die beiden verdienen, lässt nichts anderes zu. Also überlegen sie auf einem der vielen Märkte in Wien zu starten und dort tageweise Kasnudeln zu verkaufen. So wollen sie herausfinden, ob Nachfrage an ihrem Produkt besteht und Kapital anhäufen, um keinen Kredit aufnehmen zu müssen. In ein, zwei Jahren soll dann ein richtiges Geschäftslokal mit dem erwirtschafteten Kapital geführt werden. „Wir haben sicher 15 Märkte kontaktiert“, erzählt Mattias. Er schüttelt den Kopf. „Keine Chance.“
Warum das gar nicht so einfach ist
Auf den Wiener Märkten gibt es fixe Stände und freie Flächen. Mattias kontaktiert daher die jeweiligen Marktverantwortlichen, erkundigt sich nach den Preisen und erzählt von seinem Plan. Er erhält Auskunft über die entsprechende Pacht, die preislich in Ordnung wäre, wie er meint. „Aber jetzt müssen wir mit dem privaten Vermieter sprechen“, fügt ein Marktdirektor am Ende des Gespräches an. Zu zahlen wäre also Pacht plus Miete. „So komme ich monatlich auf eine Gesamtbelastung von knapp 1.000 Euro kalt. Da kann ich gleich ein Geschäft aufmachen“, ärgert sich Mattias. Zum Ausprobieren ist das zu viel Risiko.
Die meisten Fixplätze würden aber ohnehin nur verkauft. Auch eine freie Fläche zu mieten, wäre eine Option. Doch hier sehen sich die beiden mit anderen Problemen konfrontiert. Zu zahlen wäre zwar prinzipiell nur die Pacht, allerdings hat der Markt hygienische Auflagen. Wenn Mattias dort warme Speisen verkaufen möchte, braucht er fließendes Wasser, um sich die Hände und das Geschirr zu waschen. Auf dem Markt wird ihm aber kein Wasser zur Verfügung gestellt. Er bräuchte daher eine mobile Waschanlage. Infolge dessen müsste er einen Anhänger für sein Auto kaufen, weil die Anlage transportiert werden muss. Für den Anhänger wiederum benötigt Mattias einen Stellplatz. Zudem das volle Equipment wie Stehtische, Kühlvitrine oder Verkaufstheke. Insgesamt muss er auch hier wieder viel investieren und hat eine zu hohe finanzielle Belastung. „Nach monatelangem Herumtelefonieren muss ich leider sagen, es ist wohl nicht möglich, klein anzufangen. Es geht offensichtlich nur, wenn man sofort volles Risiko eingeht, aber das kann es ja nicht sein.“
Auch auf dem Papier gibt es Probleme
Im Rahmen des freien Gewerbes – „Gastro-Klein“ wie es umgangssprachlich genannt wird – darf Mattias einfach zubereitete Speisen an maximal acht Steh- oder Sitzplätzen verkaufen. Diese Regelung gilt beispielweise für jeden Würstelstand. Was allerdings nicht erlaubt ist: die Zubereitung des Teiges, den er für die Kasnudeln benötigt. „Die Rechtsabteilung der Wirtschaftskammer meinte, sie seien sich da nicht ganz sicher, das dürfte eine Grauzone sein.“ Sie würden das Risiko aber lieber nicht eingehen. Dies fiele nämlich unter Lebensmittelerzeugung. Das Telefonat mit der Dame aus der Rechtsabteilung der Wirtschaftskammer ist an diesem Punkt beendet. Mattias recherchiert weiter und stößt auf ein anderes – ebenfalls freies – Gewerbe, das eine eingeschränkte Lebensmittelerzeugung erlaubt. Ihm fällt also eine Lösung ein. „Damit ich rechtlich abgesichert bin, müsste ich mit diesem zweiten freien Gewerbe den Teig also herstellen, vakuumieren und verkaufen und über dieses mein anderes, also Gastro-Klein, bedienen. Damit dürfte ich die Kasnudeln schließlich aufwärmen und als warme Speise verkaufen“. Er konfrontiert die Wirtschaftskammer mit dem Plan. „Ja, da haben Sie recht, das könnten Sie so machen. Das ist juristisch einwandfrei.“
Zu beachten sei aber dennoch, dass die Einnahmen durch das portionsweise abgepackte Essen nicht das Hauptgeschäft sein dürfe. Dann würde er erneut ein Problem bekommen. Zudem hieße das doppelte Buchhaltung, doppelte Kammerumlage. „Das ist doch lächerlich, beide Gewerbe sind frei.“
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