Meena erzählt uns ihre Geschichte. Sie wurde geschlagen, getreten und eingesperrt. Eine Passantin hat ihr das Leben gerettet.
Sie leben mitten unter uns, doch keiner sieht sie. Frauen, die von ihren Männern eingesperrt werden. Festgehalten wie Sklavinnen. Sie kennen sich hier nicht aus, sprechen kein Deutsch. Sie werden gedemütigt, geschlagen und sexuell missbraucht. Sie haben keine Rechte.
Eine von ihnen ist Meena. Die bildhübsche Inderin ist heute 27 Jahre alt. Sie hält ihr kleines Baby im Arm und strahlt es glücklich an. Dass sie dieses gesunde Kind auf die Welt gebracht hat, grenzt für sie an ein Wunder. Dass Meena selbst noch lebt, grenzt an ein Wunder.
Vier Jahre zuvor
2013 lebte Meena noch in Indien bei ihrer Familie. Auf einer so genannten Matrimony-Website sucht ihr Vater nach geeigneten Ehepartnern für seine Tochter. Man wählt dort nach Kaste, Religion und Alter einen Mann aus. Ein persönliches Treffen wird es vor der Hochzeit keines geben. Meena sieht Kamal das erste Mal am Tag der Trauung. Sie war sehr glücklich. „Ich habe mir die Profile auf der Website genau angesehen. Er schien ein sehr guter Mann zu sein, ohne schlechte Eigenschaften und gut aussehend.“ Meena wollte nichts mehr als mit Kamal eine Familie gründen und ein gutes Leben führen.
Kurz nach der Hochzeit reiste Kamal aus beruflichen Gründen nach Wien. Er blieb länger als geplant, Meena kam erst ein paar Monate später auch hierher nach. Auf Freude folgte Ernüchterung. Empfangen wurde sie von einem Mann, der täglich Alkohol trank, Drogen nahm, alles im Casino verspielt hatte und ständig mit ihr gestritten hat. Das Geld, das Meena von ihrer Familie geschickt wurde, nahm er an sich. „Er war plötzlich genau wie mein Vater.“
Frauen wie Meena seien „die perfekten Gefangenen“, sagt Andrea Brem, Geschäftsführerin des Vereins Wiener Frauenhäuser. „Sie kennt sich in Wien überhaupt nicht aus, versteht die Sprache nicht und hat keine Familie hier, auch keine Freunde. Es gibt niemanden, nur ihn. Und er quält sie.“
Es kam noch viel schlimmer
Die nächsten Monate sollten der jungen Frau fast das Leben kosten. Kamal wurde immer aggressiver, sperrte sie zuhause ein. Er erlaubte ihr nicht, Deutsch zu lernen oder ihre Familie anzurufen. Nur in seinem Beisein. Schließlich begannen die Prügel. Zuerst Ohrfeigen ins Gesicht, dann Schläge auf den Kopf. Später wurden es Tritte mit dem Fuß. „Ich weiß nicht, wie oft ich blutüberströmt in der Wohnung gelegen bin und dachte, ich muss sterben.“ Ins Spital oder zu einem Arzt durfte Meena nicht fahren, er ließ sie zuhause herumliegen, bis es ihr wieder besser ging. Selbst als er ihr eine große offene Wunde auf dem Kopf geschlagen hatte und sie fast bewusstlos war, verließ er mit der Schwerverletzten nicht die Wohnung. „Ich war eine Woche lang fast tot.“ Es dauerte sehr lange, bis die tiefen Wunden heilten. Nächtelanges Weinen und Schmerzen. Verzweiflung. „Ich wusste nicht, was ich tun sollte, ich kannte ja niemand anderen und war komplett hilflos.“
Hat das Baby überlebt?
Dann, nach Monaten, kam erstmals wieder ein Glücksgefühl in ihr auf: Meena war schwanger. Sie hatte die Hoffnung, dass die Schwangerschaft sich positiv auf Kamal auswirken würde. Doch Kamal wurde noch aggressiver. Das erste Mal geschlagen hat er sie, als sie in der sechsten Woche war. „Ich werde nie vergessen, wie er mir den Sessel in den Bauch gerammt hat.“ Kamal wird während den kommenden neun Monaten immer wieder massiv gewalttätig. Meena versucht, ihren Bauch zu schützen. Selbst als er sie an den Haaren durch die Wohnung zerrt, lässt sie den Bauch nicht los. Im siebenten Monat dachte sie, jetzt ist das Baby tot. „Er hat mir so fest in den Unterleib getreten, dass sich der Kleine zwei Stunden lang nicht mehr bewegt hat.“ Meena war sich sicher, dass das Baby den festen Schlag nicht überlebt haben konnte. Doch dann spürte sie wieder Regungen im Bauch.
Kurz darauf bringt Meena einen gesunden Jungen zur Welt. Von da an hatte die junge Frau nur noch ein Ziel. Dieses Kind zu schützen. Koste es, was es wolle. „Das Baby hat schon so viel durchgemacht und gelitten, obwohl es noch gar nicht auf der Welt war. Es wurde getreten. Ich wurde getreten. Habe die Schwangerschaft über kaum geschlafen. Und so viel geweint. Ständig hatte ich Verletzungen, Schmerzen und Stress. Dass dieses Kind gesund zur Welt gekommen ist, ist wirklich ein Wunder.“
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